"Dem Frieden nachjagen"

Vortrag von Dr. Reuven Moskovitz, Israel, Aachener Friedenspreisträger, am Montag, dem 08. November 2005 um 19.00 Uhr im Forum der Anne-Frank-Schule Gütersloh

In Deutschland registrierte Dr. Reuven Moskovitz „ein bedrückendes Schweigen“ zum Nahostkonflikt. Dabei seien Europa und gerade auch Deutschland gefordert, sich zu engagieren. „Ohne Hilfe von außen werden wir keinen Frieden erreichen“, sagte der israelische Historiker in einem gut besuchten Vortrag in der Anne-Frank-Gesamtschule.


Das schulische Jugendfriedensprojekt Israel/Palästina und die Stiftung Begegnung hatten den Friedensaktivisten im Rahmen des Begleitprogramms zur Ausstellung „Palästina – Alltag unter der Besatzung“ eingeladen. Die Dokumentation illustrierte in weiten Teilen Moskovitz’ Ansprache über „Hin auf dem Weg zum Frieden in Israel und Palästina“.
Denn die Schwierigkeiten auf dem Weg sah Dr. Moskovitz vor allem durch die israelische Regierung verantwortet. Während er dem todkranken Palästinenser-Präsidenten Arafat, bei allen Fehlern, Kompromissbereitschaft zugute hielt, warf er der Politik des eigenen Landes vor, ein ganzes Volk zu dämonisieren und zu diskriminieren, den Palästinensern das Leben zur Hölle zu machen.

Moskovitz („Israel ist immer noch eine Demokratie, zumindest für Juden.“) sprach sogar von einer Art rassistischen Ausgrenzung der ebenfalls semitischen Araber, von einem „semitischen Antisemitismus“. Der frei und lebhaft redende Israeli deutete an, dieses Verhaltensmuster könne wie ein „Gift“ unbewusst von den Nazis übernommen worden sein.
Jedenfalls seien die Palästinenser als von den einst aus Europa vertriebenen Juden bedrängtes Volk „das letzte Opfer des Nationalsozialismus“. Auch deshalb, aber zumal ob der Erfahrungen nach dem zweiten Weltkrieg, als mit den ehemaligen Feinden Frieden geschlossen worden sei, erwarte Moskovitz besonders von Deutschland einen Beitrag zur Konfliktlösung. Doch wo sei Außenminister Fischers Friedensplan von vor zwei Jahren geblieben?
Reuven Moskovitz, 1928 in Rumänien geboren, schloss seine Ausführungen mit Klängen seiner Mundharmonika, die er als Soldat im Sechs-Tage-Krieg 1967 von einem Palästinenser bekommen hatte. Er spielte eine Melodie zu Versen aus dem Psalm 34, wo es heißt: „Meide das Böse und tu das Gute, suche Frieden und jage ihm nach!“

Eine kurze Biografie von Dr. Reuven Moskovitz

Dr. Reuven Moskovitz, Historiker aus Jerusalem, wurde 1947 in Rumänien geboren. Trotz Verfolgung und Vertreibung überlebte er den Holocaust und wanderte 1947 nach Palästina ein, wo er Mitbegründer des Kibbuz Misgav-Am an der libanesischen Grenze wurde. Nach dem Studium der Geschichte war er als Geschichtslehrer tätig.
Seit fast 40 Jahren warnt er vor der Gefahr des eskalierenden Terrors und Gegenterrors im Nahen Osten. Von Anfang engagierte er sich in der israelischen Friedensbewegung. Nach dem Sechstagekrieg 1967 wurde er Sekretär der neu entstandenen Bewegung „Für Frieden und Sicherheit“, die sich gegen die Annexion des Westjordanlandes, für die sofortige Lösung des Flüchtlingsproblems sowie das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung einsetzte.
Er ist Mitbegründer  des 1972 gegründeten  Friedensdorfes Newe Shalom / Wahat als Salam, in dem Juden und Palästinenser gleichberechtigt zusammenleben
Als Organisator von Reisen durch Israel und Deutschland mit gemischten Gruppen bemühte sich der „Friedensabenteurer“ viele Jahre um die deutsch-israelische und jüdisch-palästinensische Aussöhnung. Seit dem Ausbruch der Zweiten Intifada organisiert er gemeinsam mit Gruppen der Friedensbewegung unter oft schwierigen Bedingungen auch Hilfstransporte in die Westbank und nach Gaza.
In seinem Buch „Der lange Weg zum Frieden“, das inzwischen in der 3. Auflage vorliegt, hat er den Versuch unternommen, die tragische Verstrickung der drei Völker und die daraus für Deutschland erwachsene Verantwortung zu verdeutlichen, an der Problemlösung mitzuwirken.
2001 schrieb er unter der Überschrift „Nicht nur Arafat verhindert den Frieden – sondern vor allem Israel“: „Die Fortsetzung des Terrors hat nichts mit Arafat zu tun, sondern mit der von meinem Land betriebenen systematischen Zerstückelung der Palästinensergebiete. Es bedarf einer ernsthaften Intervention seitens der EU, um die Osloer Verträge von beiden Seiten aufrichtig zu verwirklichen. Sonst stehen nicht nur Israel und Palästina, sondern der ganze Nahe Osten und vielleicht auch Europa vor einem schrecklichen Brand. Das Feuer dafür hat nicht Arafat gelegt, sondern Sharon – der Mann der heute Israel regiert.“
Im Laufe seines Geschichtsstudiums kam er in die Bundesrepublik. Er erlebte ein Deutschland, das er lieben kann – ein Land, das versuchte sich seiner Vergangenheit zu stellen. Seitdem versucht er in Seminaren, Vorträgen und Schulbesuchen die Deutschen zu überzeugen, dass ihre historische Verantwortung auch darin besteht, Missbrauch der politischen Macht, Unrecht und Verletzung der Menschenwürde überall zu benennen und zu bekämpfen, auch wenn es um Israel geht.
Im Jahre 2003 wurde Dr. Reuven Moskovitz für sein Bemühen um den Frieden mit dem Aachener Friedenspreis geehrt.